Transformation

Earth for All: mit 5 großen Schritten in eine gerechtere Zukunft

Die Zeit läuft uns davon: um die Klimakrise und den gesellschaftlichen Kollaps abzuwenden, brauchen wir schnell eine umfassende systemische Transformation hin zu einem gerechteren, resilienteren Wirtschaftssystem. In »Earth for All« liefern die Expert*innen des Club of Rome eine politische Gebrauchsanweisung für fünf wesentliche Schritte, in denen mit vergleichbar kleinen Weichenstellungen große Veränderungen erreicht werden können. Welche das sind und wie sie umgesetzt werden können, lesen Sie in diesem Auszug aus dem Buch.

08.09.2022

Earth for All: mit 5 großen Schritten in eine gerechtere Zukunft | Club of Rome Transformation Weltwirtschaft Klimawandel Klimaschutz

Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG), die 2015 von den Vereinten Nationen formuliert wurden, entsprechen am ehesten einer gemeinsamen Vision für unsere Zivilisation. Alle Länder haben sich bereit erklärt zu versuchen, diese Ziele – von der Beendigung der Armut bis zur Energieversorgung für alle – bis 2030 zu erreichen.

Einige ziemlich großen Fragen sind jedoch nach wie vor unbeantwortet: Sind diese nachhaltigen Entwicklungsziele überhaupt erreichbar? Was wird nötig sein, um sie zu erreichen? Und was sind – über das Jahr 2030 hinaus – die Pfade, die am ehesten imstande sind, dauerhaften Wohlstand für alle auf einem sicheren Planeten zu schaffen?

Tipp: Mehr über die Sustainable Development Goals erfahren Sie auf unserer Themenseite »SDGs: Ziele für nachhaltige Entwicklung«

Die Earth4All-Initiative wurde ins Leben gerufen, um ein Netzwerk von Naturwissenschaftler*innen, Ökonom*innen und Vordenker*innen zu knüpfen, das diese Fragen untersucht und die plausibelsten Pfade zur Erreichung dieser Ziele identifiziert. Darüber hinaus geht es Earth for All aber auch darum, einen sicheren Handlungsraum für die Menschheit zurückzugewinnen, Ökonomien des Wohlergehens zu entwickeln und ein Leben innerhalb der planetaren Grenzen zu ermöglichen.

Die Analyse zeigt, welche Prioritäten wir dazu setzen müssen, wie viel wir investieren und welche fundamentalen Veränderungen unsere Gesellschaften und unsere Volkswirtschaften vollziehen müssen, um in diesem Jahrhundert die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, zukunftsfähig und erfolgreich zu sein. In diesem Sinne ist – hoffentlich – Earth for All ein Überlebensleitfaden für die Zivilisation des 21. Jahrhunderts auf einem endlichen Planeten.

Das Team nutzte das Earth4All-Modell, um viele Szenarien für dieses Jahrhundert zu untersuchen, Szenarien, die alle eine plausible Zukunft beschreiben. Too Little Too Late geht davon aus, dass die Gesellschaften Entscheidungen treffen und auf künftige Herausforderungen so reagieren, wie sie es in der Vergangenheit getan haben – mit einer Politik der kleinen Schritte. Giant Leap geht davon aus, dass die Gesellschaften die miteinander zusammenhängenden Krisen als solche erkennen und sofort damit beginnen, den Kurs durch ambitionierte Maßnahmen in fünf Schlüsselbereichen zu ändern.

Die 5 Kehrtwenden von Earth4all: Armut, Ungleichheit, Ermächtigung, Ernährung und Energie dargestellt auf bunten Dreiecken, die alle durch Pfeile miteinander verbunden sind.

Die Earth4All-Analyse zeigt, dass für das Szenario des Giant Leap diese fünf außerordentlichen Kehrtwenden die absolute Grundvoraussetzung sind:

  • Armut. Einkommensschwache Länder benötigen andere Wirtschaftsstrukturen. Ein Ausgangspunkt ist die Reform des internationalen Finanzsystems, um Risiken zu minimieren und Investitionen in einkommensschwache Länder zu revolutionieren. Wichtigstes politisches Ziel: eine Wachstumsrate des BIP von mindestens 5 Prozent für einkommensschwache Länder, bis das BIP pro Kopf und Jahr über 15.000 US-Dollar beträgt.
  • Gleichheit. Schockierende (Einkommens-)Ungleichheit muss beseitigt werden. Dies kann durch eine höhere Steuerprogression und eine stärkere Besteuerung von Vermögen, die Stärkung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und eine allgemeine Grunddividende erreicht werden. Wichtigstes politisches Ziel: Die reichsten 10 Prozent verfügen über weniger als 40 Prozent des Nationaleinkommens.
  • Ermächtigung (Empowerment) der Frauen. Überwindung des eklatanten Machtgefälles zwischen den Geschlechtern. Ermächtigung der Frauen und Investitionen in Bildung für alle. Wichtigstes politisches Ziel: Geschlechtergerechtigkeit als Beitrag zur Stabilisierung der Weltbevölkerung unter neun Milliarden bis 2050.
  • Ernährung. Um die Landwirtschaft zu transformieren, unsere Ernährung zu ändern, den Zugang zu Lebensmitteln zu verbessern und ihre Verschwendung zu minimieren, muss das System der Erzeugung von Nahrungsmitteln bis 2050 einem regenerativen Pfad folgen und Kohlenstoff wieder zunehmend in Böden, Wurzeln und Pflanzen binden. Es sollten Anreize für die lokale Lebensmittelproduktion geschaffen und der übermäßige Einsatz von Düngemitteln und anderen Chemikalien deutlich reduziert werden. Wichtigstes politisches Ziel: eine gesunde Ernährung für alle ohne Ausweitung der landwirtschaftlichen Anbauflächen, dazu Schutz der Böden und Ökosysteme sowie Verringerung der Lebensmittelverschwendung.
  • Energie. Transformation der Energiesysteme, um die Treibhausgasemissionen alle zehn Jahre zu halbieren und saubere Energie all denen zur Verfügung zu stellen, denen sie fehlt. Das wird auch Energiesicherheit bringen. Wichtigstes politisches Ziel: Halbierung der Emissionen etwa alle zehn Jahre, um bis 2050 »Netto-Null« zu erreichen.

Diese fünf Hauptlösungen wurden »außerordentliche Kehrtwenden« genannt, weil sie mit den Trends der Vergangenheit in entscheidender Weise brechen und das Potenzial für einen echten Systemwandel besitzen. In gewisser Weise könnten diese Kehrtwenden die Grundlage eines neuen Gesellschaftsvertrags für funktionierende Demokratien im Anthropozän bilden.

Sie sind systemisch eng verflochten: Energie beeinflusst die Ernährung, und Ernährung und Energie haben Auswirkungen auf das Wirtschaftssystem insgesamt. Die Beseitigung der Armut führt zu einer Umverteilung, die Vertrauen schafft und das Wohlergehen steigert. Und mit der Ermächtigung der Frauen und der Familien verringert sich die Größe der Haushalte, Entwicklungsmöglichkeiten tun sich auf, die Ernährungssicherheit erhöht sich, die Ungleichheit sinkt und zuträglichere Beziehungen in allen Gesellschaften werden gefördert.

Wie Mamphela Ramphele, Co-Präsidentin des Club of Rome und Mitglied der Earth4All Transformational Economics Commission, mahnt: »Das Wesen des Menschseins besteht darin, miteinander verbunden und voneinander abhängig zu sein.« (Siehe Ramphele, M. (2022): Global Equity for a Healthy Planet. Earth for All, Deep Dive Paper)

Gewiss, in einer hochkomplexen Welt ist es eine gewaltige Herausforderung, diese außerordentlichen Kehrtwenden umzusetzen. Aber wir wissen, dass aus ein paar wenigen einfachen Regeln oder Beziehungen eine scheinbar unüberschaubare Komplexität entstehen kann – von einem Starenschwarm am Himmel und dem Abfallentsorgungssystem einer Ameisenkolonie bis hin zur globalen Wirtschaft.

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