Erneuerbare Energien

Energiewende in der Landwirtschaft: Synergien statt Konkurrenz

Energieerzeugung mithilfe landwirtschaftlicher Flächen hängt oft ein Makel an. Silomais etwa gilt nicht selten als klassisches Konkurrenzprodukt zur Futter- und Lebensmittelproduktion. Falko Stockmann und Julian Müller von C.A.R.M.E.N. e.V. zeigen in diesem Beitrag aus Ökologie & Landbau 02 - 2023, dass das gängige Bild in einigen Punkten schief ist.

03.05.2023

Energiewende in der Landwirtschaft: Synergien statt Konkurrenz | Energiewende Erneuerbare Energien Landwirtschaft Flächenverbrauch Biogas Agri-Photovoltaik

Beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland kommt der Photovoltaik (PV) eine gesellschaftlich wie politisch wachsende Rolle zu. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass das aktuelle Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ein ambitioniertes Ausbauziel von 400 Gigawatt installierter Leistung bis zum Jahr 2040 vorsieht und damit die Ziele des EEG 2021 deutlich erhöht. Aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen und geschätzten Potenziale wird davon ausgegangen, dass die Hälfte dieses Zubaus auf Dachflächen erfolgen kann. Die andere Hälfte entsprechend in der Freifläche, so etwa klassischerweise auf landwirtschaftlichen Flächen oder auch auf ehemaligen Deponien und Konversionsflächen (z. B. Industriebrachen).

Die aktuellen Entwicklungen der Rahmenbedingungen für die PV bergen das Potenzial, den für die Energiewende benötigten Ausbau erheblich zu befördern. Aber aufgrund des starken erforderlichen Zubaus wird auch eine zunehmende Diskussion um die befürchtete Flächennutzungskonkurrenz mit der Landwirtschaft erwartet.

Doch welche Flächen werden zur Erreichung der Ausbauziele überhaupt für Freiflächen-PV benötigt? Die gesamte landwirtschaftliche Fläche in Deutschland beträgt rund 17 Millionen Hektar, von der der Großteil mit etwa 60 Prozent der Futtermittelproduktion dient. Auf 14 Prozent werden heute Energiepflanzen angebaut. Der Anteil der bisher realisierten Freiflächen-PV-Anlagen nimmt hier mit etwas über 0,1 Prozent nur geringen Raum ein. Je nach Szenario und Rahmenparametern müsste sich dieser Anteil bis 2040 um schätzungsweise ein bis zwei Prozent erhöhen, wenn das Zubauziel zur Hälfte in der Freifläche umgesetzt wird.

Der tatsächlich erforderliche Zubau hängt jedoch von einer Vielzahl an Einflussfaktoren ab, wie beispielsweise der Entwicklung des Strombedarfs, dem Zubau anderer erneuerbarer Erzeugungsanlagen oder dem spezifischen Flächenbedarf der Anlagen.

Der Flächenbedarf pro Megawatt installierter Leistung geht aufgrund fortschrittlicher Modultechnik stetig zurück. So hat sich die benötigte Fläche für Solarparks innerhalb der letzten zehn Jahre von etwas über zwei Hektar pro Megawattpeak (MWp) auf unter ein Hektar pro MWp mehr als halbiert. Selbst bei einem stärkeren Ausbau der Freiflächen-PV als angenommen wird es beim heutigen Stand der Technik zu keiner ernsthaften Einschränkung der landwirtschaftlichen Produktionsgrundlagen kommen.

Effizientere Technik, weniger Flächenbedarf

Aktuell rücken zunehmend auch solare Flächenpotenziale und Nutzungsformen abseits klassischer Freiflächenanlagen in den Fokus. Vor allem die Agri-PV, bei der zugleich eine landwirtschaftliche Nutzung der Fläche als Ackerland, Grünland oder für Dauerkulturen erfolgt, hat in jüngerer Zeit wesentlich an Bedeutung gewonnen und etabliert sich gerade in Deutschland. Ansätze wie die Parkplatz-PV oder schwimmende PV-Anlagen auf künstlichen Gewässern erfahren einen stetigen Interessenzuwachs. Um diese Potenziale besser nutzen zu können, erfreuen sich insbesondere Agri-PV-Anlagen einer Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu deren Gunsten.

Ähnlich wie bei PV ist der Energiepflanzenanbau für Biogasanlagen (BGA) stetig in der Diskussion um eine mögliche Flächenkonkurrenz. Der Beginn der Biogasentwicklung vor etwa 40 Jahren fand in Deutschland überwiegend auf Ökobetrieben statt, sie waren die Pioniere der Biogasbewegung. Im Laufe der Zeit hat sich dies aber völlig geändert. Vor allem durch die Einführung des EEG sind von den aktuell 9.770 BGA nur circa 200 in Ökobetrieben zu finden.

Die Entwicklung ging anfänglich von Idealisten aus, die aus Gülle und Mist wertvolles Methan erzeugten. Durch die damals günstigen fossilen Energieträger stieß dies jedoch auf wenig Interesse. Mit der Einführung des EEG im Jahr 2000 kam es zu einer Trendwende. Ab 2004, mit der Etablierung eines Bonussystems, entwickelte sich ein starker Biogastrend.

Die Abschaffung des Bonussystems im EEG 2014 stoppte den Trend jedoch, was sich über die Jahre hin fortsetzte. Der Zubau von BGA vor allem über 75 Kilowatt elektrisch (kWel) ist seitdem nur noch sehr marginal. Zeitgleich läuft bei immer mehr BGAs die 20-jährige Förderdauer aus, was auch zu deren Rückbau führt. Folglich stagniert die Anlagenzahl.

Sicher sorgte der Biogas-Boom von 2004 bis circa 2014 regional für eine Zunahme im Energiepflanzenanbau. Vor allem Silomais ist mit 56 Prozent das führende Substrat, das als Biogassubstrat aber die höchste Energiedichte aller Biogassubstrate hat. Beim Anbau muss demnach die geringste Fläche genutzt werden. Eines wird beim Mais meist vergessen: 67 Prozent des Maisanbaus (Körner- und Silomais) gehen in die Tierfütterung, nur 33 Prozent werden in BGAs eingesetzt. Die negativen Seiten werden jedoch meist nur dem Biogas angelastet.

Der Energiepflanzenanbau für Biogas stagniert seit 2018 beziehungsweise ist seit 2021 leicht rückläufig. Im Jahr 2021 wurden circa 1,56 Millionen Hektar für die Biogasnutzung bewirtschaftet. Das sind rund zehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland (16,7 Mio. ha). Im Vergleich dazu ist die Anbaufläche für Winterweizen mit 2,8 Millionen Hektar fast doppelt so hoch. Allein für die Tierfuttergewinnung werden zehn Millionen Hektar pro Jahr bewirtschaftet. Durch geringeren Fleischkonsum könnte weit mehr Fläche eingespart werden als über weniger Energiepflanzen. Medial ist aber häufig nur der Energiepflanzenanbau in der Kritik. Der jährliche Flächenverlust durch Siedlungs- und Verkehrsausbau von rund 20.000 Hektar wird in der Debatte ebenfalls häufig ausgeblendet.

Die aktuelle Entwicklung geht außerdem weg vom Biomassenanbau und hin zur Nutzung von sogenannten Koppelprodukten wie Stroh, Gülle, Mist, Zwischenfrüchten und Grüngut. Von Flächenkonkurrenz über den Anbau von Energiepflanzen zur Biogasproduktion kann also nicht die Rede sein.

Vielfältige Möglichkeiten

Bei der Flächenkonkurrenz beziehungsweise -effizienz sollten die erneuerbaren Energien nicht gegeneinander ausgespielt werden. Ob Wind, PV oder Bioenergie – alle Formen haben ihre Berechtigung und ihr bevorzugtes Einsatzgebiet. Ist es bei Wind und PV die höhere Energiegewinnung je Flächeneinheit, so ist es beim Biogas die mannigfaltige Verwendung im Substrateinsatz, die Möglichkeit für vielfältige Fruchtfolgen, die große Produktpalette wie unter anderem Strom, Wärme, Dünger, Kraftstoff, Kohlendioxid, Wasserstoff, Basischemikalien und die bedarfsgerecht-flexible Stromproduktion, die Wind und PV abpuffern können.

Statt Konkurrenz um Fläche sind Synergien möglich, wie der Anbau von Biomasse und PV, sogenannte Agri-PV auf derselben Fläche. Der PV in der Freifläche wird zweifelsohne eine Schlüsselrolle bei der Energiewende zukommen. Die Vorteile dieser Erzeugungsform sind dabei jedoch nicht nur auf die Erzeugung von praktisch emissionsfreiem Strom beschränkt. Vielmehr liegt hier gleichfalls ein großes Potenzial, Mehrwerte für Landwirt*innen, Artenvielfalt und lokale Akteur*innen über eine vorausschauende Planung und eine an die lokalen Gegebenheiten angepasste Energieerzeugung zu schaffen. Betrachtet man die aktuelle Lage mit hohen Energiepreisen und der unsicheren Versorgung mit fossilen Rohstoffen, kann die Bioenergie zur Strom-, Wärme- und Rohstofflieferung einen wertvollen Beitrag leisten.

Beitrag aus 

Grüne Energie

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