Landwirtschaft & Ernährung

Falsche Freunde: Rechte Tendenzen in der ökologischen Landwirtschaft

 

Wie Rechtsradikale die Öko-Szene zu unterwandern versuchen und mit Regionalität und »grüner Gesinnung« auf Stimmenfang gehen, beschreibt Rozsika Farkas in diesem Beitrag aus dem Slow Food Magazin.

02.06.2022

Falsche Freunde: Rechte Tendenzen in der ökologischen Landwirtschaft | Rechtsextremismus Landwirtschaft ökologische Landwirtschaft Ernährung

Das »Nobelhart & Schmutzig« in Berlin Kreuzberg, dem Michelin-Führer zusätzlich zum regulären Stern für »eine Küche voller Finesse« auch noch einen grünen Stern für Nachhaltigkeit wert, bezeichnet sich selbst als »brutal lokal«. In der Tat: Das Restaurant bezieht die Zutaten für seine Gerichte ausschließlich aus der näheren Umgebung. Selbst auf so scheinbar elementare Ingredienzien wie Pfeffer und Zitrone wird verzichtet, da sie nicht in der Region wachsen. Die Gerichte tragen so schlichte Bezeichnungen wie »Sellerie / Hafer«, »Ei / Porree« oder »Apfel / Fichte«. Hinter jedem einzelnen Gang sind die Namen derer genannt, die die sorgsam gezogenen Gemüslein und das gute Fleisch liefern. Mit dieser »Gestaltung einer genuinen, neuen deutschen Handschrift, statt im ewigen Plagiat französischer Hochküche zu verharren«, wie es die Betreiber selbst nennen, hat sich das Restaurant internationales Renommée erworben.

Feines aus nächster Nähe

Das Berliner Restaurant gehört zur Speerspitze einer gastronomischen Bewegung, die nicht nur in Deutschland versucht, beim Essen mit dem auszukommen, was in der Nähe wächst und gedeiht. Da ist die skandinavische Nordic Cuisine, die Moose und Flechten auf die Teller packt, da ist der Pariser Drei-Sterne-Koch Alain Passard, der Gemüse ausschließlich aus seinen eigenen westlich von Paris gelegenen Gärten zubereitet. In Italien gibt es die Initiative »chilometro zero« (Null Kilometer), deren Anhänger ebenfalls nur mit Zutaten aus nächster Nähe kochen.

Eine Bewegung, die seit vielen Jahren auch das Chef-Alliance-Netzwerk von Slow Food vorantreibt, bei dem sich Köch*innen weltweit – weltweit! – dazu verpflichten, mit Produkten der jeweiligen Region zu arbeiten, gerne mit solchen, die vom Verschwinden bedroht sind, möglichst bei kleinen lokalen Anbietern einzukaufen und die Gäste umfassend darüber zu informieren.

AfD nicht willkommen

Eine explizit »deutsche Handschrift«, Zutaten ausschließlich aus dem Berliner Umland – da kann es nicht schaden, sich abzugrenzen, um nicht missverstanden zu werden. Und so prangte Ende 2016 ein Schild am »Nobelhart & Schmutzig«: »AfD nicht willkommen«. Die Resonanz war groß – und nicht nur positiv. »Intoleranz« lautete der Vorwurf. Dass man sich überhaupt als Restaurant politisch positioniert, kritisierten viele, grad so, als gäbe es ein Neutralitätsgebot für Gastronomen.

Wie dringend geboten die Abgrenzung in Wahrheit ist, davon zeugen zahlreiche Beispiele von Versuchen Rechter, die Öko-Szene zu unterwandern. Viele, die sich darum bemühen, hochwertiges Essen auf eine Weise herzustellen, die Umwelt, Tier und Mensch schont, haben schon unerwünschte Begegnungen erlebt, nur dass es in diesem Fall keine App gibt, die vor riskanten Kontakten warnt.

Trübe Quellen

Im Übrigen ist die Szene auch auf der rechten Seite des politischen Spektrums eher vielfarbig als einheitsbraun. Nicht alle, die von »national befreiten Zonen« träumen, tragen Springerstiefel. Das erschwert die Abgrenzung. Bei manchen verbinden sich völkisches Denken und romantische Naturliebe zu einer ungenießbaren Mélange. Vielleicht sogar bei den freundlichen neuen Dorfbewohnern, die Frau im langen Gewand und der langhaarige Mann an ihrer Seite, die zusammen aussehen wie ein spätes Hippiepärchen. Fleißig bauen sie ihr Biogemüse an und engagieren sich in der Gemeinde. Zwar feiern sie manchmal seltsame Feste im Wald, aber sonst wirken sie unauffällig.

Oder der bärtige Zausel, der im Allgäu so kundig über Permakultur referiert, ist er nicht wie wir gegen Massentierhaltung und Gentechnik und Chemie auf dem Acker? Und können wir nicht viel von ihm lernen in Sachen Gartenbau? Womöglich haben diese Naturfreunde aber auch Kontakte in finstere Kreise.

Gern ordnet man die Ökoszene dem breiten Spektrum von links-alternativ bis bürgerlich-liberal zu. Sie reicht aber bis tief ins Ultrakonservative und sogar ins stramm Rechte hinein. Denn die Liebe zur Natur ist nichts originär Demokratisches oder Linkes oder Liberales. Naturschutz speist sich aus vielen Quellen, auch aus trüben. Nebenbei: das erste deutsche Naturschutzgesetz stammt aus dem Jahr 1935, und es waren keine Demokraten, die es verfasst haben.

Ideologisches Potpourri

Schon vor über 100 Jahren mischten sich in der Naturschutzbewegung Anarchisten und Abstinenzler, Esoterikerinnen und Blut- und Boden-Ideologen, Nudisten und Vegetarierinnen, Wandervögel und pazifistisch Denkende, Anthroposophen und Mystiker*innen zu einem unübersichtlichen ideologischen Potpourri. Exemplarisch das Spannungsfeld bei den Anhängern von Rudolf Steiner: Einerseits verboten Nationalsozialisten die Anthroposophische Gesellschaft und schlossen deren Schulen, andererseits hingen etliche führende Nazis selbst der Bewegung an und befürworteten eine biologisch-dynamische Landwirtschaft.

Die Einteilung in Gut und Böse in der Landwirtschaft ist weniger leicht, als uns lieb sein kann. Auf den ersten Blick scheint es einfach: auf der dunklen Seite die chemisch-industrielle Landwirtschaft mit ihren Riesenställen, in denen Tiere unter elenden Bedingungen gehalten werden; mit öden Monokulturen auf totgespritzten Böden, die der Erosion schutzlos ausgeliefert sind. Auf der anderen Seite bäuerliche Betriebe, die sich redlich mühen, giftfrei zu arbeiten, die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten, Tieren unnötiges Leid zu ersparen und die so die Lebensmittel erzeugen, die wir mit »gut, sauber und fair« meinen.

Dumpfes aus der Taiga

Und doch hat diese »gute« Landwirtschaft auch ihre dunklen Flecken. Den vorher erwähnten Allgäuer Permakultur-Hof hat längst der Verfassungsschutz wegen seiner Nähe zur Anastasia-Bewegung im Blick. Die geht zurück auf einen zehn Bände starken Kitschroman eines russischen Autors. Die blonde Anastasia gründet eine Familiensiedlung für ein naturgemäßes und autarkes Leben und findet so ihre Bestimmung und ihr Glück. Ein dicker Esoterik-Zuckerguss liefert die Extra-Portion Spiritualität für modernitätsverdrossene Sinnsucher.

Auch bei uns wollen es viele der Taiga-Prinzessin gleichtun und gründen Siedlungen nach ihrem Vorbild; auf Anastasia-Festivals in Deutschland kommen schon mal mehrere hundert begeisterte Anhänger zusammen. Für Lebensformen, die nicht der klassischen Vater-Mutter-Kind-Familie entsprechen, ist kein Platz in dem Modell, für Volksfremde schon gar nicht. In einem der Bände heißt es ganz nebenbei, die Juden seien selbst schuld an ihrer Verfolgung.

Die lange weithin unbemerkt stattfindenden Annäherungen und Verflechtungen wurden durch Corona auf einmal weithin sichtbar: in den Querdenker-Demos, bei denen esoterische Impfskeptiker und -skeptikerinnen, Verschwörungstheoretiker und Rechtsradikale Seite an Seite marschieren.

Im Grunde kann noch nicht mal davon die Rede sein, dass Rechte die Bioszene kapern wollen, denn es war schon immer auch ihre Bewegung. »Umweltschutz für Volksgesundheit« schrieb sich die NPD bereits 1973 in ihr Wahlprogramm. Jahre später äußerte ein NPD-Funktionär: »Wir wollen grüne Themen nicht den Grünen überlassen«. Das inzwischen eingestellte NPD-nahe Magazin »Umwelt & Aktiv« verknüpfte Umwelt- mit Heimatschutz, wobei Heimat als Lebensraum einer angestammten homogenen Volksgemeinschaft definiert ist, die es gegen Fremdeinflüsse zu verteidigen gelte, wie der Bayerische Verfassungsschutz feststellte. Neonazis konnten die Verfassungsschützer auch im Rahmen von Tierschutzkampagnen identifizieren.

Gegensteuern und Vielfalt fördern

Öko-Verbände haben reichlich Erfahrungen mit Annäherungsversuchen von unerwünschter Seite, in der Solidarischen Landwirtschaft (SoLawi) würden Rechte gern häufiger mitmischen. Urbane Gärten bekommen Besuch auch von Erdbraungesinnten. Inzwischen haben sich die meisten Verbände die Abgrenzung gegen Rechts in die Satzung geschrieben. Auch Demeter, die ja das Erbe des sich teilweise rassistisch und antisemitisch äußernden Rudolf Steiner im Gepäck haben, hat sich klar positioniert und nimmt keine Mitglieder auf, bei denen auch nur der Hauch eines Verdachts besteht, dass sie aus der rechten Ecke kommen.

Auch Slow Food Deutschland distanziert sich in aller Deutlichkeit von rechtsextremen Tendenzen. Der Verein fordert Fairness und Respekt und setzt sich für mehr Diversität ein: in der Vereinsarbeit, den Vereinsstrukturen und darüber hinaus. »Für diese Werte wollen wir mutig und konsequent einstehen. Dieses Ziel unterstützt auch der Ende letzten Jahres veröffentlichte Verhaltenskodex zum ›Fairen Miteinander im Verein‹«, betont Nina Wolff als Vereinsvorsitzende.

Das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft hat eine eigene Arbeitsgemeinschaft gebildet: die »AG Rechte Tendenzen«. Auf ihre Einladung hin haben sich Ende März letzten Jahres 150 Teilnehmende zwei Tage lang online mit dem Thema auseinandergesetzt. Titel des Kongresses: »Kartoffel, Kürbis, Vaterland – Landwirtschaft aus rechter Hand«. FARN, die Fachstelle für Radikalisierungsprävention im Bereich Naturschutz, war mit dabei, auch die Amadeu-Antonio-Stiftung mit ihrer Abteilung »für politische Bildung und Entschwörung«. Wichtige Erkenntnis: Jeder Verband, jedes Netzwerk, egal in welcher Region, hatte schon mit dem Problem zu tun.

Wachsamkeit ist angesagt – und aktives Gegensteuern. Wir können den national Gesinnten nicht verbieten, die gleichen Lebensmittel zu schätzen wie wir. Wir können sie nicht daran hindern, sich im Öko-Landbau zu betätigen. Man kann ihnen aber – wie das alle namhaften Öko-Verbände tun – die Mitgliedschaft und damit auch den lukrativeren Marktzugang verwehren.

Wir dürfen bei aller Liebe zum Regionalen globale Perspektiven nicht aus dem Blick verlieren; Kochaktionen mit Flüchtlingen, wie sie viele Slow Food Convivien praktizieren, signalisieren von vornherein: Bei uns ist kein Platz für nationale Engstirnigkeit.

Nicht zu vergessen: Auch »die« deutsche Küche gibt es gar nicht, nur eine Vielfalt an Regionalküchen, in die seit jeher »fremde« Elemente eingeflossen sind. Als Bereicherung. Oder möchte jemand ernsthaft nur noch Gerstengrütze essen?

Dieser Beitrag stammt aus 

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